Endlich frei! In ihrem autofiktionalen Roman "Utopia Algeria" entwirft Yasmina Liassine die Utopie eines neuen Algerien. Das Land hatte sich 1962 seine Unabhängigkeit von der Kolonialherrschaft Frankreichs erkämpft. Die "Pieds-Noirs" (ehemalige französische Besatzer) waren vertrieben worden, und eine junge Generation von Algeriern, die in Frankreich studiert hatten, und idealistischen Französinnen kehrten in ein Land von großer Schönheit und Chancenreichtum zurück. Die Kinder aus diesen Ehen waren die Hoffnungsträger einer gerechten Zukunft in einem modernen Land mit Platz für Frauen und Männer jeglicher Herkunft und Religion.
Die Autorin selbst ist eine Tochter einer solchen Verbindung und beschreibt am Bespiel ihrer und befreundeter Familien die privaten und öffentlichen Spannungen dieses gesellschaftlichen Experiments. Erst als Erwachsene gesteht sie sich ein, dass sie in der Wahrnehmung der Algerier immer "die Tochter der Französin" geblieben ist.
Sie stellt die über Algerien hinausgehende Frage, die uns durch die aktuellen gewaltsamen Konflikte in Europa und dem Nahen Osten vor Augen geführt werden, nach dem Zusammenleben verschiedener Ethnien, die Anspruch auf ein Land, den Gebrauch einer Sprache und die Deutungshoheit über die gemeinsame Geschichte erheben.