Wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, im Jahr 1952, bricht der deutschstämmige amerikanische Journalist Milton S. Mayer (1908-1986) zu einer Recherchereise in die mittelhessische Universitätsstadt Marburg auf. Er will exemplarisch und unmittelbar erfahren, wie Normalbürger ihre eigenen Verstrickungen in das verbrecherische Tun des Nationalsozialismus und die Umbrüche der Nachkriegszeit thematisieren. Bis September 1952 nimmt Mayer, der seine eigene jüdische Herkunft verschweigt, am Marburger Stadtleben teil, macht sich gezielt mit ehemaligen Nazis bekannt und führt zahlreiche Gespräche. In ¿Sie hielten sich für frei¿ hat er aus diesen und weiteren Erlebnissen mit der deutschen Nachkriegsbevölkerung die persönlichen Geschichten und Sichtweisen von zehn 'kleinen Nazis' destilliert. Er ergänzt sie mit Anekdotischem, eigenen Interpretationen und verallgemeinernden Betrachtungen sowie Spekulativem. Seine Beobachtungen zielen auf gesellschaftliche Vorgänge, die Gültigkeit über regionale und historische Spezifika hinaus beanspruchen können. Wie aktuell sein Text ist, zeigen nicht zuletzt seine Ausführungen zum Thema der Wiederbewaffnung, denen im gegenwärtigen Paradigma der 'Zeitenwende' eine frappierende Relevanz zukommt. Mayers Bericht ¿They Thought They Were Free¿ erschien in den USA erstmals 1955 mit verschlüsselten Orts- und Personennamen, die auf Wunsch der Rechteinhaber auch in der ersten nun vorliegenden deutschen Ausgabe beibehalten werden. Ergänzt wird der Originaltext durch ein Geleitwort von Richard Scully, Mayers Sohn, und ein Nachwort des britischen Historikers Sir Richard J. Evans mit einer Einordnung in den zeitgeschichtlichen Kontext.