Ádám Bodors atmosphärisch und sprachlich dichte Erzählungen spielen in Vororten,
Dörfern, Landstrichen von der Ostsee bis Asien, vor allem aber in uns selbst.
Eine junge Frau verbringt einen Tag auf einem Gebirgspass, zwei Männer fahren mit
dem Boot durch einen Abwasserkanal, eine Gruppe unterschiedlicher Menschen flicht
Körbe, ein Mann hält in einer Bewegung inne und sorgt so für Unruhe.
Die Welten, die uns hier begegnen, sind geheimnisvoll, doch die Regungen ihrer Bewohner
verblüffend, oft erschütternd bekannt. Das Beschriebene nimmt nicht den
Umweg über den Verstand der Lesenden, sondern wirkt unmittelbar, beinahe körperlich.
Mit nur wenigen Worten gelingt es Bodor, die verborgensten Winkel menschlicher
Empfindungen auszuleuchten, sei es Liebe, Grausamkeit, Einsamkeit oder die Verbundenheit
mit der Welt. Seine Protagonisten sind Reisende, Verbannte und Neuanfänger,
die sich in elegante, stets passgenaue Sätze gekleidet durch verregnete Straßen,
nebelverhangene Wälder, über hitzeflirrende, ins Ungewisse führende Pfade bewegen.
Die Verhältnisse sind vergänglich, wie auch immer sie gestaltet sein mögen, das weiß
der Autor, und das wissen, spüren auch die, die ihn lesen - vielleicht liegt auch darin
der Grund, warum diese Erzählungen so aufrüttelnd und zugleich so tröstlich sind.
Ádám Bodor kennt die Fäden, aus denen das Leben sich webt, sehr genau, das zeigen,
neben seinen herausragenden Romanen, auch die in den über fünfzig Jahren seines
Schaffens entstandenen Erzählungen. Waldohreule ist eine in Absprache mit dem
Autor getroffene Auswahl dieser Texte.
Alle Vorzüge des neuen Erzählbandes von Ádám Bodor könnten wohl kaum auf einem so hohen Niveau zur Geltung kommen,
wenn er nicht durch und durch von dem Element durchflutet wäre, das die alten Griechen als Flüssigkeit angesehen haben und das wir Humor nennen.