Die Kantische Ethik gilt bis heute als die dominante Theorie der Moral, und das nicht nur mit Blick auf ihre moralischen Inhalte, sondern mehr noch mit Bezug auf ihre Begründung der moralischen Prinzipien aus der Vernunft. Die Auseinandersetzung mit Kant führt jedoch zu der Einsicht, daß wir unsere Vorstellungen vom Verhältnis zwischen Ethik und Moral, sowie von der Verbindung von Moral und sozialer Realität reformulieren müssen. Die im vorliegenden Buch gesammelten Artikel verbindet die Erwartung, daß die Moral statt über die Vernunft über ihre Funktion im Rahmen sozialer Beziehungen besser zu verstehen und gestalten sein sollte. Den konkreten Reichtum unserer Handlungsziele, Beziehungsmöglichkeiten und sozialen Fähigkeiten sind wir nur dann in der Lage zu erschließen, wenn wir das Werkzeug der abstrakten Vernunft als unbrauchbar beiseite legen und statt dessen mit den alltäglichen, persönlichen und überpersönlichen, Erfahrungen arbeiten, nit denen wir uns auskennen. Weil einzig aus den Beziehungsformen Normativität erwächst, sollten uns diese selbst, ihre Bedeutungen und ihre Wandelbarkeit interessieren, weniger kodifizierbare moralische Pflichten und Regeln. Gegenstand der Ethik der Beziehungen sind die konkreten Spielräume und Kräfte der sozialen Verhältnisse zwischen Menschen, nicht die abstrakten Fingerzeige eines von den Beziehungen unabhängigen ¿moralischen Gesetzes'.